Saturday, September 7. 2019
Re: Grandiositäten und Fallen
Der Schriftsteller und freie Journalist Sören Heim hat sich nicht zum ersten Mal die Mühe gemacht, einem meiner Bücher eine eingehende Besprechung zu widmen, über die ich mich wie immer sehr gefreut habe. Sie bringt mich dazu, meinen Text mit literaturwissenschaftlicher Brille zu hinterfragen, und das macht mir als jemandem, der sich lange nicht entscheiden konnte, was er eigentlich sein will -- Textproduzent oder -rezipient -- großen Spaß. So viel in diesem Fall, dass ich etwas mehr Platz als üblich für die Antwort brauchte und sie hier gewissermaßen als Dialog unserer beider Blogs stehen lasse.
Vielen Dank für die Besprechung, die wie immer ziemlich genau das abbildet, worum es mir bei dem Text ging und ihn mancherorts vielleicht sogar zu wohlwollend deutet. Und auch für die Gelegenheit, diesem wissenschaftlich fragwürdigen Impuls einer Replik nachgeben zu können.
Vorweg zur Frage der Einordnung und des Zielpublikums: Tatsächlich glaube ich, dass die Hobbit Presse als Hort der literarisch ambitionierteren Fantasy in Deutschland die einzige mir mögliche Anlaufstelle war. Gleichwohl zeigen sich hier die Grenzen unserer Verlagswelt: Selbst wenn ich es wollte, sehe ich als "Fantasyautor" wenig Chancen, zu einem Highbrow-Verlag zu wechseln. Und die Hogarth-Kollektion wird mir wie der Rest des englischsprachigen Marktes wohl immer verschlossen bleiben. Von daher bewerben wir das Buch nicht einmal allzu laut mit Shakespeare, aber den Bezug zu verschweigen, wäre natürlich mehr als albern gewesen.
Dass ich zu viel (aber nicht jeder!) Subtilität gegenüber inzwischen misstrauischer bin als ich es einmal war, ist richtig. Teils, weil sie nicht immer honoriert wurde, teils, weil das oft auch hieß, dass ich sie nicht richtig eingesetzt habe. Das heißt nicht, dass die Subtilitäten nicht immer noch unter der Oberfläche lauern, aber ich lasse den Leser nicht mehr so gerne auf gut Glück über einen textuellen Maulwurfacker wandern. Das zweite Zitat ist ein gutes Beispiel für solche Leitplankensätze, die wohl nicht unbedingt nötig wären, die ich aber vorsichtshalber dennoch einschlage.
Das erste Zitat hingegen ist ein sehr gutes Beispiel für auktoriales Versagen oder die Grenzen subtiler Signale überhaupt, denn der Satz war weder subtil noch als Signal gemeint, sondern nichts als die schnöde Beschreibung von magischem Gewirbel in einer Schenke. Natürlich ist Deine Interpretation trotzdem valide. Obendrein ist sie passend und schmeichelhaft. Aber es stellt sich die spannende Frage: Hast Du sie als Leser nun selbst in den Text hineingetragen (weswegen Du sie vielleicht auch als zu offensichtlich empfindest) oder war ich so tief in den Stoff abgetaucht, dass ich unbewusst eine Allegorie als ganz unmetaphorische Beschreibung vergeudete (und dadurch zu offensichtlich machte)?
Was die beschnittene Vielschichtigkeit des Originals angeht, so sehe ich den Text schlicht als eine von vielen möglichen Adaptionen. Seine Genese lag ja in der Bühnenproduktion eines Freundes -- in diesem Tempest ging es vor allem um Machtstrukturen und deren Inversion; auch dass Prospero am Ende zugunsten Calibans abdankt, stammt nicht von mir, sondern von Jonas Hock. Mir waren vor allem die Motive von Vergebung und Selbstaufgabe wichtig: der eigenen Eitelkeit zu entsagen und ein Opfer zu bringen. Und genau so bleibt auch bei jeder Adaption etwas auf der Strecke. Will sagen: Shakespeares Können liegt, wie Du ja richtig schreibst, darin, dass sein Werk diese Vielzahl an Lesarten hergibt. Mit jeder, die man sich herauspickt, um sie zu betonen, verliert man dafür ein paar andere.
Zur Theaterlogik: Diese "Grandezza" auf Prosa zu übertragen, war tatsächlich sehr schwierig: aus Bösen werden Gute, aus Feinden Verbündete, aus Fremden Verliebte, und das alles in atemberaubendem Tempo. Ein guter Schauspieler muss in der Lage sein, diese Wandlungen glaubhaft zu präsentieren. Ich stellte fest, dass man als Autor vor demselben Problem steht – denn auf einmal muss man dem Leser erklären (oder bewusst darauf verzichten), was er als Zuschauer einfach sieht.
Und auch mein zweites großes Problem hast Du zielsicher erkannt: die suspension of disbelief. Ich gestehe, ich bin immer noch unsicher, weshalb mir diese Übung dieses Mal so schwer fiel. Teils wohl, weil ich keine zu weite ("es gibt nun mal Geister, Zauberkräfte usw.") aber auch keine zu enge ("alles ist Ariel") Erklärung für die Existenz von Magie wollte. Auch Shakespeare fuhr mehrgleisig, zog einerseits Prosperos Bücher und andererseits Ariel (und zu Teilen Sycorax) als Quell oder Agenten des Überweltlichen heran, dazu diverse Naturgeister. Dies alles passte noch halbwegs ins Weltbild des frühen 17. Jahrhunderts, aber nicht mehr in unser heutiges. Ich wollte keine fiktionale Welt beschreiben, in der solche Dinge zum geheimen "Alltag" gehören (wie es meistens in der urban fantasy der Fall ist). Aber ich wollte auch keine singuläre Ursache, die im Konflikt zum ganzen Rest der Welt steht. So entstand die Welt unter dem Winde aus dem singulären Aufeinandertreffen von Technik, Esoterik und Wahn, um wenigstens auf dieser Ebene den größtmöglichen Deutungsspielraum zu bewahren.
Zu den Nachträgen:
1) Danke für die fundierte Verteidigung meiner vielleicht etwas rehäugigen liberal fantasy, die mir aus tagespolitischen Gründen sehr wichtig war.
2) Ross Perrault ist ein klangvoller Name und ein Wortspiel zweifelhafter Güte, nicht mehr. Tatsächlich verdrängte ich die Existenz von Ross Perot während des ganzen Schreibprozesses derart erfolgreich, dass ich mich weigerte, von dem gefundenen Namen noch einmal abzurücken, als sein real-weltliches Beinahe-Homophon mir wieder bewusst gemacht wurde.
3) Keines von beidem, sondern schlicht die naive Sehnsucht nach Verbildlichung des Schauplatzes, mit der viele Textschaffende gerade in der Fantasy zu kämpfen haben ... zumal die Verlockung, eng mit dem mir freundschaftlich verbundenen Künstler zusammenzuarbeiten, zu groß war (glaub mir: die Liste von mit lieblosen Verlagskarten gestraften Kollegen ist lang). Wobei sich die satirische Dimension der Zusammenarbeit nicht leugnen lässt: Einer der ersten Hinweise, den ich Thilo Corzilius gab, war, dass Maßstäbe und Entfernungen bei dieser Karte keine Rolle spielen ...
Ich hoffe, damit Licht auf einige dunkle Seiten meines Unvermögens geworfen zu haben und danke noch einmal für den erfreulichen Austausch!
Wednesday, December 20. 2017
Karten vom Ende der Welt
Aus Zeitgründen schaffe ich es nicht, zu "Marco Polo" eine vergleichbare Subdomain wie zu meinen übrigen Romanen einzurichten. Anlässlich des kürzlich erschienenen Taschenbuchs und der Auszeichnung mit dem Homer-Literaturpreis 2017 wollte ich vor Jahresende aber noch ein paar Karten teilen, die ich teils für den Eigenbedarf, teils als Vorlagen für den Verlag anfertigte, die im Druck aber keine Verwendung fanden.
Die erste und wichtigste Karte, in die ich auch am meisten Arbeit investierte, ist diese Weltkarte, die unter Zuhilfenahme von Scribble Maps entstand. Die Windrose schuf Karin Graf (für "Das Licht hinter den Wolken").
Die Route orientiert sich maßgeblich an Leonardo Olschkis Marco Polo’s Asia: An Introduction to his »Description of the World« called »Il Milione« (Berkeley: University of California Press, 1960). Nachfolgend dazu das Verzeichnis der Ortsnamen, wie man es auch im Roman findet: links die historische (oder historisierende) Bezeichnung, rechts der heutige Namen (ich verlinke wo möglich auf die deutsche Wikipedia; häufig sind die korrespondierenden englischen Artikel aber hilfreicher). Orte in Klammern existieren (in dieser Form) heute nicht mehr.
Die für mich bemerkenswertenswertesen Erkenntnisse bei der Recherche des Reisewegs waren: 1. Die sogenannte Seidenstraße (die damals noch nicht so hieß) führte durch die wahrscheinlich lebensfeindlichsten Gegenden, die man auf dem eurasischen Kontinent findet. 2. Praktisch alles östlich von Konstantinopel und Jerusalem wurde von den Mongolen beherrscht. 3. Waren, Wissen oder zumindest Gerüchte fanden dank der "Pax Mongolica" und unerschrockener Händler ihren Weg vom Atlantik bis zum Pazifik, von Madagaskar bis nach Sibirien. 4. Europäer verstanden damals eine Menge vom Rudern (die venezianische Galeerenproduktion war enorm), aber wenn man auf dem Seeweg bis nach China wollte, fragte man besser einen Chinesen — sofern man das Glück hatte, in Persien eine Dschunke zu kriegen. 5. Marco Polo wusste mit ziemlicher Sicherheit, dass die Erde eine Kugel war (und war damit auch nicht allein — es interessierte nur niemanden, weil man nicht glaubte, dass auf der Unterseite jemand lebt: schließlich ist es da heiß und man fiele hinunter und Jesus könnte dort auch nicht hin und das ginge ja gar nicht). 6. Unsere heutige Weltreligionen sind eine ziemlich dröge Angelegenheit verglichen mit den zahlreichen christlichen, muslimischen, buddhistischen und sonstigen Splittergruppen, die insbesondere in Asien existierten. 7. Die unterschiedlichen Stadtbegriffe waren frappierend. Manche Orte auf dieser Karte waren nicht mehr als ein besseres Heerlager mit einem Tempel in der Mitte. Andere waren Weltstädte; Quinsai besaß rund eine Million Einwohner.
Akkon > Akkon, Israel
Angamanain > Andamanen, Indien
Annam & Champa > Vietnam
Balkh > Balch, Afghanistan
Bukhara > Buchara, Usbekistan
Cambay > Khambhat, Gujarat, Indien
Campichu > Zhangye, Gansu, China
Candia > Iraklio, Kreta
Chorcha > Mandschurei, China
Cipangu > Japan
Coilum > Kollam, Kerala, Indien
Curzola > Korčula, Kroatien
Drachenzahntor > (Long Ya Men, Singapur)
Eli > Payyanur, Kerala, Indien
Fancheng & Saianfu > Xiangyang, Hubei, China
Ferlek > Perlak, Aceh, Indonesien
Herat > Herat, Afghanistan
Hormuz > (Hormus, Iran)
Kaifeng > Kaifeng, Henan, China
Kap von Comari > Kap Komorin
Karakorum > (Karakorum, Mongolei)
Kashgar > Kaxgar, Xinjiang, China
Kauli > Korea
Kerman > Kerman, Iran
Kesmacoran > Makran, Iran/Pakistan
Khanbalik > Peking
Khotan > Hotan, Xinjiang, China
Klein-Java > Sumatra, Indonesien
Kobinan > Kuhbanan, Iran
Konstantinopel (Byzanz) > Istanbul, Türkei
Laias > Yumurtalık, Türkei
Lop > (Wüste Lop Nor)
Madeigascar > Madagaskar
Mien > Myanmar
Modon > Methoni, Peloponnes
Oase am Jadetor > Mondsichelsee; Dunhuang, Gansu, China
Quinsai > Hangzhou, Zhejiang, China
Ragusa > Dubrovnik, Kroatien
Saba > Saveh, Iran
Sabbioncello > Pelješac, Kroatien
Samarkand > Samarkand, Usbekistan
Sapurgan > Scheberghan, Afghanistan
Sarai > (Sarai, Russland)
Scotra > Sokotra, Jemen
Seilan > Sri Lanka
Semenat > Somnath, Gujarat, Indien
Soldaia > Sudak, Krim
Sondur und Condur > Côn Đảo, Vietnam
Tabas > Tabas, Iran
Tabriz > Täbris, Iran
Tana > Thane, Maharashtra, Indien
Tebet > Tibet
Trapezunt > Trabzon, Türkei
Xanadu > (Shangdu, Innere Mongolei, China)
Yazd > Yazd, Iran
Zayton > Quanzhou, Fujian, China
Die Route orientiert sich maßgeblich an Leonardo Olschkis Marco Polo’s Asia: An Introduction to his »Description of the World« called »Il Milione« (Berkeley: University of California Press, 1960). Nachfolgend dazu das Verzeichnis der Ortsnamen, wie man es auch im Roman findet: links die historische (oder historisierende) Bezeichnung, rechts der heutige Namen (ich verlinke wo möglich auf die deutsche Wikipedia; häufig sind die korrespondierenden englischen Artikel aber hilfreicher). Orte in Klammern existieren (in dieser Form) heute nicht mehr.
Die für mich bemerkenswertenswertesen Erkenntnisse bei der Recherche des Reisewegs waren: 1. Die sogenannte Seidenstraße (die damals noch nicht so hieß) führte durch die wahrscheinlich lebensfeindlichsten Gegenden, die man auf dem eurasischen Kontinent findet. 2. Praktisch alles östlich von Konstantinopel und Jerusalem wurde von den Mongolen beherrscht. 3. Waren, Wissen oder zumindest Gerüchte fanden dank der "Pax Mongolica" und unerschrockener Händler ihren Weg vom Atlantik bis zum Pazifik, von Madagaskar bis nach Sibirien. 4. Europäer verstanden damals eine Menge vom Rudern (die venezianische Galeerenproduktion war enorm), aber wenn man auf dem Seeweg bis nach China wollte, fragte man besser einen Chinesen — sofern man das Glück hatte, in Persien eine Dschunke zu kriegen. 5. Marco Polo wusste mit ziemlicher Sicherheit, dass die Erde eine Kugel war (und war damit auch nicht allein — es interessierte nur niemanden, weil man nicht glaubte, dass auf der Unterseite jemand lebt: schließlich ist es da heiß und man fiele hinunter und Jesus könnte dort auch nicht hin und das ginge ja gar nicht). 6. Unsere heutige Weltreligionen sind eine ziemlich dröge Angelegenheit verglichen mit den zahlreichen christlichen, muslimischen, buddhistischen und sonstigen Splittergruppen, die insbesondere in Asien existierten. 7. Die unterschiedlichen Stadtbegriffe waren frappierend. Manche Orte auf dieser Karte waren nicht mehr als ein besseres Heerlager mit einem Tempel in der Mitte. Andere waren Weltstädte; Quinsai besaß rund eine Million Einwohner.
Akkon > Akkon, Israel
Angamanain > Andamanen, Indien
Annam & Champa > Vietnam
Balkh > Balch, Afghanistan
Bukhara > Buchara, Usbekistan
Cambay > Khambhat, Gujarat, Indien
Campichu > Zhangye, Gansu, China
Candia > Iraklio, Kreta
Chorcha > Mandschurei, China
Cipangu > Japan
Coilum > Kollam, Kerala, Indien
Curzola > Korčula, Kroatien
Drachenzahntor > (Long Ya Men, Singapur)
Eli > Payyanur, Kerala, Indien
Fancheng & Saianfu > Xiangyang, Hubei, China
Ferlek > Perlak, Aceh, Indonesien
Herat > Herat, Afghanistan
Hormuz > (Hormus, Iran)
Kaifeng > Kaifeng, Henan, China
Kap von Comari > Kap Komorin
Karakorum > (Karakorum, Mongolei)
Kashgar > Kaxgar, Xinjiang, China
Kauli > Korea
Kerman > Kerman, Iran
Kesmacoran > Makran, Iran/Pakistan
Khanbalik > Peking
Khotan > Hotan, Xinjiang, China
Klein-Java > Sumatra, Indonesien
Kobinan > Kuhbanan, Iran
Konstantinopel (Byzanz) > Istanbul, Türkei
Laias > Yumurtalık, Türkei
Lop > (Wüste Lop Nor)
Madeigascar > Madagaskar
Mien > Myanmar
Modon > Methoni, Peloponnes
Oase am Jadetor > Mondsichelsee; Dunhuang, Gansu, China
Quinsai > Hangzhou, Zhejiang, China
Ragusa > Dubrovnik, Kroatien
Saba > Saveh, Iran
Sabbioncello > Pelješac, Kroatien
Samarkand > Samarkand, Usbekistan
Sapurgan > Scheberghan, Afghanistan
Sarai > (Sarai, Russland)
Scotra > Sokotra, Jemen
Seilan > Sri Lanka
Semenat > Somnath, Gujarat, Indien
Soldaia > Sudak, Krim
Sondur und Condur > Côn Đảo, Vietnam
Tabas > Tabas, Iran
Tabriz > Täbris, Iran
Tana > Thane, Maharashtra, Indien
Tebet > Tibet
Trapezunt > Trabzon, Türkei
Xanadu > (Shangdu, Innere Mongolei, China)
Yazd > Yazd, Iran
Zayton > Quanzhou, Fujian, China
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Friday, July 28. 2017
Was will die Fee?
Was bisher geschah: Alessandra Reß schrieb ein sehr lesenswertes und unterhaltsames Glossar der fantastischen (Sub-)Genres, jemand stellte eine dumme Frage und Lake Hermanstadt gab eine sehr gute Antwort darauf. Ich empfehle diese Artikel zu lesen, ehe man sich auf meine Ideensammlung zum Thema einlässt.
Seit gut fünfzig Jahren meinen Literaturwissenschaftler und Buchhändler komplett verschiedene Dinge, wenn sie von "Phantastik" reden. Erstere denken zunächst an die Literatur der Verunsicherung, wie sie (mehr oder weniger brauchbar) von Caillois, Todorov und anderen beschrieben wurde, letztere sehen darin einen drollig geschriebenen Oberbegriff für Fantasy, Science-Fiction und Horror (also landläufig Elfen, Raumschiffe oder Vampire – die drei großen Embleme, die seit hundert Jahren so ziemlich jeder versteht).
Das ist wie gesagt ein altes Problem, das ich hier auch nicht auflösen kann, denn Literaturwissenschaft interessiert sich nicht für Werbeschubladen (und bedauerlicherweise nur selten für Feen) und der Buchhandel nicht für kleinkarierte Feinheiten.
Was mir beim Lesen des Lake-Hermanstadt-Artikels jedoch auffiel (und mir wie ein exzellenter, kaum offensichtlicher Vorwand erschien, mal wieder auf meine Doktorarbeit zum Thema hinzuweisen), ist das immanente Durcheinander von Kategorien in diesem Diskurs, sowie die auffällige Bedeutung, die dabei den Reaktionen des Lesers und den Intentionen des Autors zukommt – unscharfe Kriterien, um welche die Literaturwissenschaft sonst gerne einen Bogen schlägt wie unsere drei Embleme um Orks, schwarze Löcher und Knoblauch.
Dies beginnt bereits mit der Feststellung, dass von besagten drei Genres die Science-Fiction als einziges wahrhaft spekulativen Charakter besitzt (dem im englischen Sprachraum populärem Sammelbegriff der speculative fiction zum Trotz). Tatsächlich ist die SF die Einzige, die tapfer an ihre eigene Realisierbarkeit glaubt, was sich auch in John Clutes sehr eleganten Unterscheidung zwischen Fantasy und SF niederschlägt:
Vielleicht wäre es daher sinnvoller (wenn man nicht meine orthographisch gewollt wirkende Unterscheidung zwischen "fantastisch" und "Phantastik" fortschreiben möchte), wie Marco Frenschkowski von "imaginativer Literatur" zu sprechen, wann immer man es mit fantastischen, spekulativen oder anderweitig feenwirksamen Elementen zu tun hat.2 Jedoch habe ich arge Zweifel, dass das Fenster für die Popularisierung neuer oder übersehener Begrifflichkeiten in dieser Debatte noch offen steht – weswegen wir alternativ auch einfach weiter von Feenliteratur sprechen können.
Noch komplizierter wird es nun, wenn man versucht, die Kategorie des (supernatural) horror mit ins Boot zu holen. In dem Artikel auf Lake Hermanstadt heißt es zurecht:
Tatsächlich ist die eigentliche Phantastik in der Traditionslinie von Poe über Lovecraft bis zu King (je nach Tagesform) und Ligotti, die von Buchhandel und weiten Teilen der Leserschaft als "Horror" identifiziert wird, kaum zu fassen, ohne besonderes Augenmerk auf die ästhetische Inszenierung und Leserreaktion zu legen.
Diese Einsicht findet sich implizit schon bei Caillois, der im Phantastischen den berühmten "Riss, einen befremdenden, fast unerträglichen Einbruch in die wirkliche Welt" sieht, in dem
Ich persönlich hielt diese Forderung nach einer Weltsicht, in der "das Wunder Angst hervorrufen musste", es "unzulässig und erschreckend" geworden war, immer für arbiträr.4 (Tatsächlich war mein gerechter studentischer Zorn auf Caillois einer der Hauptgründe, weshalb ich Fairwater schrieb). Weshalb soll es so undenkbar sein, dass ein entsprechend geneigter Protagonist den Einbruch des bis dato Unmöglichen in seiner Welt willkommen heißt? Der erschreckende oder verstörende Effekt von Phantastik hat abgesehen von ihren klassischerweise unliebsamen Antagonisten (Vampire, Geister, Große Alte) zumeist auch einfach formale Gründe – nämlich dass die Erzählung im Moment des größten Schreckens abbricht, ohne eine Auflösung, insbesondere eine glückliche, zuzulassen. Nicht ohne Grund blüht das Genre in Kurzgeschichten, wie auch Lake Hermanstadt bemerkt.
Ehrlicher fand ich es daher immer, wenn man diesen Effekt des Schreckens nicht als logische Ableitung, sondern als grundlegende Absicht des Genres auffasst, auch wenn das heißt, den intendierten oder gar tatsächlichen Leser zum Kriterium der Phantastik zu machen. So bekanntermaßen H.P. Lovecraft in seinem programmatischen "Supernatural Horror in Literature":
Gegen einen solchen Ansatz richtet sich dagegen Tzvetan Todorov in seinem einflußreichen Theoriewerk:
Stattdessen fordert er von einem phantastischen Text die gezielte Verunsicherung des Lesers ein:
Das "rein" Phantastische okkupiert laut Todorov die gedachte Trennlinie zwischen den Reichen des Wunderbaren und des Profanen – er benutzt also weitgehend dasselbe Modell zweier überlappender Ereignissphären oder Welten wie Caillois (die Trennlinie des einen ist der Riss des anderen), angereichert mit der Forderung nach Unentscheidbarkeit.
Und genau diese Forderung, um den Kreis zu schließen, greift Stanislaw Lem wiederum an:
Vielleicht sollte es nicht verwundern, dass in einer von Surrealisten, Strukturalisten und Schriftstellern geführten Debatte am Ende ein Traumfänger aus Erdbeeren, Aprikosen und Obstkernen steht. Auch ich trage mit meinen widersprüchlichen Sichtweisen als Textproduzent und -rezipient sicher nicht zu einer Präzisierung der Begrifflichkeiten bei.
Aufgrund meiner doppelten Sichtweise halte ich es aber für legitim, nach der Haltung eines Texts, der Intention des Autors und der Reaktion des Lesers zu fragen (die in einer idealen Welt trotz Lovecrafts Zweifeln durchaus in Kongruenz stehen sollten): Versteht sich ein Text als Abbildung einer (theoretischen oder zukünftigen) Wirklichkeit? Möchte er (konfliktfrei) eine Gegenwelt zur allgemein akzeptierten Realität™ zeichnen? Geht es dem Autor darum, dem Leser im Moment der größten Fallhöhe den Boden unter den Füßen wegzuziehen? Oder hat er einfach nur das falsche Pfeifenkraut geraucht und möchte eigentlich eine Allegorie auf den bornierten Beamtenapparat einer südamerikanischen Provinz der Siebzigerjahre erzählen, die aus unerfindlichen Gründen von Klavier spielenden Haifischen regiert wird? (Hierzu ließen sich mehrere andere Artikel verfassen, aber nicht von mir.)
Diese Fragen, so unpräzise sie sein mögen, sind es wert, gestellt zu werden, wenn man sich eine Navigationshilfe bei der Erkundung des weiten Lands der Feenliteratur wünscht – vielleicht gerade, weil sie so grundlegende und persönliche Konzepte von Realitätswahrnehmung, Wunschdenken und vielleicht auch Religiosität berührt. Mit einem reinen Emblemkatalog wird man ebenso an seine Grenzen stoßen wie mit einem präskriptiv angehauchten Modell oder Regelwerk.
Probiert die Fee zu fangen, fragt sie, was sie von euch will – und dann lasst sie bitte wieder fliegen.
Fußnoten:
1 Clute, "Fantasy", 338.
2 Frenschkowski, "Ist Phantastik postreligiös?"
3 Caillois, "Das Bild des Phantastischen", 45f.
4 Caillois, "Das Bild des Phantastischen", 48.
5 Lovecraft, "Supernatural Horror in Literature", 368.
6 Todorov, The Fantastic, 35.
7 Todorov, The Fantastic, 33.
8 Lem, "Tzvetan Todorovs Theorie des Phantastischen", 114.
Literatur und Links:
Clute, John, "Fantasy". In ders., John Grant eds., The Encyclopedia of Fantasy. London: Orbit, 1997, 337-39.
Caillois, Roger, "Das Bild des Phantastischen: Vom Märchen bis zur Science Fiction". In Rein A. Zondergeld ed., Phaïcon 1. Frankfurt a.M.: Insel Verlag, 1974, 44-83.
Frenschkowski, Marco, "Ist Phantastik postreligiös? Religionswissenschaftliche Beiträge zu einer Theorie des Phantastischen". In Clemens Ruthner, Ursula Reber und Markus May eds., Nach Todorov. Beiträge zu einer Definition des Phantastischen in der Literatur. Tübingen: Francke 2006, 31-51.
Lem, Stanislaw, "Tzvetan Todorovs Theorie des Phantastischen". In Rein A. Zondergeld ed., Phaïcon 1. Frankfurt a.M.: Insel Verlag, 1974, 92-122.
Lovecraft, H.P., "Supernatural Horror in Literature". In ders., Dagon and other Macabre Tales. August Derleth, Donald Wandrei, S.T. Joshi eds., Sauk City: Arkham House, 1987, 365-444.
Murilegus rex, "Phantastik vs. Fantasy: Erste Runde". 2017.
https://hermanstadt.blogspot.de/2017/07/phantastik-vs-fantasy-erste-runde.html
Plaschka, Oliver. Verlorene Arkadien: Das pastorale Motiv in der englischen und amerikanischen fantastischen Literatur – H.P. Lovecraft, James Branch Cabell, Mervyn Peake, William Gibson. 2009.
http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/10106
Reß, Alessandra, "Die Fee ist immer da: Genres der Phantastik". 2017.
https://fragmentansichten.com/2017/06/19/die-fee-ist-immer-da/
Todorov, Tzvetan, The Fantastic (Introduction à la litérature fantastique). London: The Press of Case Western Reserve University, 1973.
Gemälde: Oliva, Viktor. Der Absinthtrinker. 1901
Seit gut fünfzig Jahren meinen Literaturwissenschaftler und Buchhändler komplett verschiedene Dinge, wenn sie von "Phantastik" reden. Erstere denken zunächst an die Literatur der Verunsicherung, wie sie (mehr oder weniger brauchbar) von Caillois, Todorov und anderen beschrieben wurde, letztere sehen darin einen drollig geschriebenen Oberbegriff für Fantasy, Science-Fiction und Horror (also landläufig Elfen, Raumschiffe oder Vampire – die drei großen Embleme, die seit hundert Jahren so ziemlich jeder versteht).
Das ist wie gesagt ein altes Problem, das ich hier auch nicht auflösen kann, denn Literaturwissenschaft interessiert sich nicht für Werbeschubladen (und bedauerlicherweise nur selten für Feen) und der Buchhandel nicht für kleinkarierte Feinheiten.
Was mir beim Lesen des Lake-Hermanstadt-Artikels jedoch auffiel (und mir wie ein exzellenter, kaum offensichtlicher Vorwand erschien, mal wieder auf meine Doktorarbeit zum Thema hinzuweisen), ist das immanente Durcheinander von Kategorien in diesem Diskurs, sowie die auffällige Bedeutung, die dabei den Reaktionen des Lesers und den Intentionen des Autors zukommt – unscharfe Kriterien, um welche die Literaturwissenschaft sonst gerne einen Bogen schlägt wie unsere drei Embleme um Orks, schwarze Löcher und Knoblauch.
Dies beginnt bereits mit der Feststellung, dass von besagten drei Genres die Science-Fiction als einziges wahrhaft spekulativen Charakter besitzt (dem im englischen Sprachraum populärem Sammelbegriff der speculative fiction zum Trotz). Tatsächlich ist die SF die Einzige, die tapfer an ihre eigene Realisierbarkeit glaubt, was sich auch in John Clutes sehr eleganten Unterscheidung zwischen Fantasy und SF niederschlägt:
Though fantasy certainly existed for many centuries [...] whenever stories were told which were understood by their authors (and readers) as being impossible, it is quite something else to suggest that the perceived impossibility of these stories was their point – that they stood as a counter-statement to a dominant worldview.
Science Fiction can be distinguished from fantasy on several grounds; but in our terms the most significant difference is that Science Fiction tales are written and read on the presumption that they are possible – if perhaps not yet.1
Vielleicht wäre es daher sinnvoller (wenn man nicht meine orthographisch gewollt wirkende Unterscheidung zwischen "fantastisch" und "Phantastik" fortschreiben möchte), wie Marco Frenschkowski von "imaginativer Literatur" zu sprechen, wann immer man es mit fantastischen, spekulativen oder anderweitig feenwirksamen Elementen zu tun hat.2 Jedoch habe ich arge Zweifel, dass das Fenster für die Popularisierung neuer oder übersehener Begrifflichkeiten in dieser Debatte noch offen steht – weswegen wir alternativ auch einfach weiter von Feenliteratur sprechen können.
Noch komplizierter wird es nun, wenn man versucht, die Kategorie des (supernatural) horror mit ins Boot zu holen. In dem Artikel auf Lake Hermanstadt heißt es zurecht:
Während Fantasy und SF Genres sind, trifft das auf Horror nicht wirklich zu. Horror ist ein Begriff der Ästhetik, nicht der Poetik. Ästhetisch gesehen sind Terence Fishers Dracula, Roman Polanskis Rosemary’s Baby und William Friedkins The Exorcist Horror, genremäßig sind sie Fantasy. Ganz ähnlich ist Ridley Scotts Alien ästhetisch Horror und genremäßig SF, oder Jonathan Demmes Silence of the Lambs ästhetisch Horror, aber genremäßig ein Thriller. Fantasy, SF und Horror auf eine Ebene zu stellen, ist, als würde man Aprikosen, Erdbeeren und Obstkerne auf eine Ebene stellen.
Tatsächlich ist die eigentliche Phantastik in der Traditionslinie von Poe über Lovecraft bis zu King (je nach Tagesform) und Ligotti, die von Buchhandel und weiten Teilen der Leserschaft als "Horror" identifiziert wird, kaum zu fassen, ohne besonderes Augenmerk auf die ästhetische Inszenierung und Leserreaktion zu legen.
Diese Einsicht findet sich implizit schon bei Caillois, der im Phantastischen den berühmten "Riss, einen befremdenden, fast unerträglichen Einbruch in die wirkliche Welt" sieht, in dem
das Wunder zu einer verbotenen Aggression [wird], die bedrohlich wirkt, und die Sicherheit einer Welt zerbricht, in der man bis dahin die Gesetze für allgültig und unverrückbar gehalten hat. Es ist das Unmögliche, das unerwartet in einer Welt auftaucht, aus der das Unmögliche per definitionem verbannt worden ist.3
Ich persönlich hielt diese Forderung nach einer Weltsicht, in der "das Wunder Angst hervorrufen musste", es "unzulässig und erschreckend" geworden war, immer für arbiträr.4 (Tatsächlich war mein gerechter studentischer Zorn auf Caillois einer der Hauptgründe, weshalb ich Fairwater schrieb). Weshalb soll es so undenkbar sein, dass ein entsprechend geneigter Protagonist den Einbruch des bis dato Unmöglichen in seiner Welt willkommen heißt? Der erschreckende oder verstörende Effekt von Phantastik hat abgesehen von ihren klassischerweise unliebsamen Antagonisten (Vampire, Geister, Große Alte) zumeist auch einfach formale Gründe – nämlich dass die Erzählung im Moment des größten Schreckens abbricht, ohne eine Auflösung, insbesondere eine glückliche, zuzulassen. Nicht ohne Grund blüht das Genre in Kurzgeschichten, wie auch Lake Hermanstadt bemerkt.
Ehrlicher fand ich es daher immer, wenn man diesen Effekt des Schreckens nicht als logische Ableitung, sondern als grundlegende Absicht des Genres auffasst, auch wenn das heißt, den intendierten oder gar tatsächlichen Leser zum Kriterium der Phantastik zu machen. So bekanntermaßen H.P. Lovecraft in seinem programmatischen "Supernatural Horror in Literature":
Atmosphere is the all-important thing, for the final criterion of authenticity is not the dovetailing of a plot but the creation of a given sensation. [...] Therefore we must judge a weird tale not by the author's intent, or by the mere mechanics of the plot; but by the emotional level which it attains at its least mundane point. [...] The one test of the really weird is simply this – whether or not there be excited in the reader a profound sense of dread, and of contact with unknown spheres and powers.5
Gegen einen solchen Ansatz richtet sich dagegen Tzvetan Todorov in seinem einflußreichen Theoriewerk:
The sentiment of fear or perplexity is often invoked by theoreticians of the fantastic [...]. Caillois, too, proposes as a 'touchstone of the fantastic [...] the impression of irreducible strangeness.' It is surprising to find such judgments offered by serious critics. If we take their declarations literally – that the sentiment of fear must occur in the reader – we should have to conclude that a work's genre depends on the sang-froid of its reader. Nor does the determination of the sentiment of fear in the characters offer a better opportunity to delimit the genre. In the first place, fairy tales can be stories of fear, as in the case of Perrault [...]. Moreover, there are certain fantastic narratives from which all terror is absent [...]. Fear is often linked to the fantastic, but it is not a necessary condition of the genre.6
Stattdessen fordert er von einem phantastischen Text die gezielte Verunsicherung des Lesers ein:
The fantastic requires the fulfillment of three conditions. First, the text must oblige the reader to consider the world of the characters as a world of living persons and to hesitate between a natural and a supernatural explanation of the events described. Second, this hesitation may also be experienced by a character [...]. Third, the reader must adopt a certain attitude with regard to the text: he will reject allegorical as well as 'poetic' interpretations.7
Das "rein" Phantastische okkupiert laut Todorov die gedachte Trennlinie zwischen den Reichen des Wunderbaren und des Profanen – er benutzt also weitgehend dasselbe Modell zweier überlappender Ereignissphären oder Welten wie Caillois (die Trennlinie des einen ist der Riss des anderen), angereichert mit der Forderung nach Unentscheidbarkeit.
Und genau diese Forderung, um den Kreis zu schließen, greift Stanislaw Lem wiederum an:
Laut Caillois, sagt Todorov höhnisch, ist die Gattungszugehörigkeit eines Werkes vom Grad der Nervenstärke seiner Leser abhängig. Erschrickt der Leser, so haben wir es mit dem Unheimlich-Phantastischen zu tun; bewahrt er kaltes Blut, so gehört das Werk einer anderen Gattung an. [...] Warum eigentlich ist die Nervenstärke eines Lesers [...] kategoriell etwas anderes als die Unschlüssigkeit des Lesers, die Todorov zum Prüfstein seiner Theorie des Phantastischen macht?8
Vielleicht sollte es nicht verwundern, dass in einer von Surrealisten, Strukturalisten und Schriftstellern geführten Debatte am Ende ein Traumfänger aus Erdbeeren, Aprikosen und Obstkernen steht. Auch ich trage mit meinen widersprüchlichen Sichtweisen als Textproduzent und -rezipient sicher nicht zu einer Präzisierung der Begrifflichkeiten bei.
Aufgrund meiner doppelten Sichtweise halte ich es aber für legitim, nach der Haltung eines Texts, der Intention des Autors und der Reaktion des Lesers zu fragen (die in einer idealen Welt trotz Lovecrafts Zweifeln durchaus in Kongruenz stehen sollten): Versteht sich ein Text als Abbildung einer (theoretischen oder zukünftigen) Wirklichkeit? Möchte er (konfliktfrei) eine Gegenwelt zur allgemein akzeptierten Realität™ zeichnen? Geht es dem Autor darum, dem Leser im Moment der größten Fallhöhe den Boden unter den Füßen wegzuziehen? Oder hat er einfach nur das falsche Pfeifenkraut geraucht und möchte eigentlich eine Allegorie auf den bornierten Beamtenapparat einer südamerikanischen Provinz der Siebzigerjahre erzählen, die aus unerfindlichen Gründen von Klavier spielenden Haifischen regiert wird? (Hierzu ließen sich mehrere andere Artikel verfassen, aber nicht von mir.)
Diese Fragen, so unpräzise sie sein mögen, sind es wert, gestellt zu werden, wenn man sich eine Navigationshilfe bei der Erkundung des weiten Lands der Feenliteratur wünscht – vielleicht gerade, weil sie so grundlegende und persönliche Konzepte von Realitätswahrnehmung, Wunschdenken und vielleicht auch Religiosität berührt. Mit einem reinen Emblemkatalog wird man ebenso an seine Grenzen stoßen wie mit einem präskriptiv angehauchten Modell oder Regelwerk.
Probiert die Fee zu fangen, fragt sie, was sie von euch will – und dann lasst sie bitte wieder fliegen.
Fußnoten:
1 Clute, "Fantasy", 338.
2 Frenschkowski, "Ist Phantastik postreligiös?"
3 Caillois, "Das Bild des Phantastischen", 45f.
4 Caillois, "Das Bild des Phantastischen", 48.
5 Lovecraft, "Supernatural Horror in Literature", 368.
6 Todorov, The Fantastic, 35.
7 Todorov, The Fantastic, 33.
8 Lem, "Tzvetan Todorovs Theorie des Phantastischen", 114.
Literatur und Links:
Clute, John, "Fantasy". In ders., John Grant eds., The Encyclopedia of Fantasy. London: Orbit, 1997, 337-39.
Caillois, Roger, "Das Bild des Phantastischen: Vom Märchen bis zur Science Fiction". In Rein A. Zondergeld ed., Phaïcon 1. Frankfurt a.M.: Insel Verlag, 1974, 44-83.
Frenschkowski, Marco, "Ist Phantastik postreligiös? Religionswissenschaftliche Beiträge zu einer Theorie des Phantastischen". In Clemens Ruthner, Ursula Reber und Markus May eds., Nach Todorov. Beiträge zu einer Definition des Phantastischen in der Literatur. Tübingen: Francke 2006, 31-51.
Lem, Stanislaw, "Tzvetan Todorovs Theorie des Phantastischen". In Rein A. Zondergeld ed., Phaïcon 1. Frankfurt a.M.: Insel Verlag, 1974, 92-122.
Lovecraft, H.P., "Supernatural Horror in Literature". In ders., Dagon and other Macabre Tales. August Derleth, Donald Wandrei, S.T. Joshi eds., Sauk City: Arkham House, 1987, 365-444.
Murilegus rex, "Phantastik vs. Fantasy: Erste Runde". 2017.
https://hermanstadt.blogspot.de/2017/07/phantastik-vs-fantasy-erste-runde.html
Plaschka, Oliver. Verlorene Arkadien: Das pastorale Motiv in der englischen und amerikanischen fantastischen Literatur – H.P. Lovecraft, James Branch Cabell, Mervyn Peake, William Gibson. 2009.
http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/10106
Reß, Alessandra, "Die Fee ist immer da: Genres der Phantastik". 2017.
https://fragmentansichten.com/2017/06/19/die-fee-ist-immer-da/
Todorov, Tzvetan, The Fantastic (Introduction à la litérature fantastique). London: The Press of Case Western Reserve University, 1973.
Gemälde: Oliva, Viktor. Der Absinthtrinker. 1901
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Monday, July 20. 2015
News from the Net: Academia
Es gibt einige Neuigkeiten aus der Welt der Literaturwissenschaft.
So bin ich wieder auf der Konferenz der Gesellschaft für Fantastikforschung, dieses Jahr vom 24.-27.9. in Tübingen. Am Samstag morgen präsentiere ich ein Paper mit dem schönen Titel "I think, therefore I’m lost: Secret and forbidden knowledge in early supernatural fiction", in dem es unter anderem um meinen alten Freund H.P. Lovecraft gehen wird. Das vollständige Programm gibt es hier.
Lovecraft ist der einzige Autor aus dem Hauptteil meiner Dissertation, zu dem ich noch keine englischsprachige Veröffentlichung nachgereicht habe. In absehbarer Zeit wird sich daran auch wohl nichts ändern; vielleicht in ein paar Jahren, wenn Huan Vus Traumlande erscheinen, denn dieser Teilbereich der Lovecraft-Forschung weist nach wie vor die größten Leerstellen auf.
Zu Mervyn Peake hatte ich bereits 2010 einen Artikel in G. Peter Winningtons Peake Studies, Vol. 12, No. 1 veröffentlicht, der im Wesentlichen Kapitel IV von "Verlorene Arkadien" entspricht. Und auch die verbleibenden zwei Autoren meiner unwahrscheinlichen Zusammenstellung kann ich nun von meiner Liste streichen:
Zum einen kann man sich bei Komparatistik Online mein Paper zur Jahrestagung der GFF von 2013 herunterladen: "Cyberspace as final frontier: Artificial and virtual space in William Gibson’s Neuromancer". Analog zu Kapitel V von "Verlorene Arkadien" geht es mir hier unter anderem um die Feststellung, dass der Cyberspace, ungeachtet des in einschlägigen Aufsätzen oft gezogenen Vergleichs, wenig bis nichts mit Baudrillards Hyperrealität zu tun hat; tatsächlich halte ich sogar Googles Ingress für einen weitaus besseren Vergleich. Zum Jahreswechsel wird es wahrscheinlich noch eine Printversion geben.
Zum anderen sind im LIT-Verlag nach langen, mühevollen Jahren die Proceedings der von mir mitverantworteten Heidelberger Tagung der International Gothic Association erschienen. Er enthält unter anderem meinen Aufsatz "Distressing Damsels" über die Frauenfiguren James Branch Cabells, der auch Elemente aus Kapitel III von "Verlorene Arkadien" aufgreift. Angesichts der geringen Rezeption Cabells in der aktuellen Forschung freut mich diese Veröffentlichung ganz besonders – auch, weil ich dem Artikel mit Erlaubnis der Erben von Frank C. Papé einige Stiche dieses großartigen Künstlers anfügen durfte.
Abschließend, da ich gerade nirgendwo online das Inhaltsverzeichnis des Bandes finde, here you are:
Ellen Redling and Christian Schneider (editors) – Introduction: Gothic Limits / Gothic Ltd
Jeaneen Kish – Pre-Gothic Goths: Shakespeare’s Usage of the Goths as Gothic Monsters in Titus Andronicus
Susanne Gruss – Jacobean Gothic and the Law: Revengers and Ineffectual Rulers on the Early Modern Stage
Kerstin Frank – “[Y]ou must see the Sun through the Cloud, and relish Light by the help of Darkness”: Morality, Rationality, and the Proto-Gothic Atmosphere in Daniel Defoe’s An Essay on the History and Reality of Apparitions
Oliver Plaschka – Distressing Damsels: Gothic Chivalry in James Branch Cabell’s Biography
Franziska Schneider – From Bullerby to Blackeberg: Gothic Themes and National Settings in the Writings of John Ajvide Lindqvist
Andreas Schardt – Terror in the Garden: The Gothic as (Anti-)Pastoral in H.P. Lovecraft’s “The Colour out of Space”
Susan J. Tyburski – Seduced by the Wild: Audrey Schulman’s EcoGothic Romance
Erik Redling – Monstrous Woodcuts: Experiments with Scary Word-Image Relations in Lynd Ward’s Gothic Work
Christian Schneider – “‘It’ forever”: Black Hole as a Gothic Graphic Novel
Ellen Redling – Gothic Nightmares Then and Now: The Oneiric Descents in Edgar Allan Poe’s Short Stories and Falling Dreams ad extremum in Christopher Nolan’s Film Inception
Simone Broders – “No Sex Please, We’re Vegetarians”: Marketing the Vampire and Sexual Curiosity in Twilight, True Blood and the Sookie Stackhouse Novels
Anna Powell – Enchanted Objects: Steampunk Fetishes and Machinic Desire
So bin ich wieder auf der Konferenz der Gesellschaft für Fantastikforschung, dieses Jahr vom 24.-27.9. in Tübingen. Am Samstag morgen präsentiere ich ein Paper mit dem schönen Titel "I think, therefore I’m lost: Secret and forbidden knowledge in early supernatural fiction", in dem es unter anderem um meinen alten Freund H.P. Lovecraft gehen wird. Das vollständige Programm gibt es hier.
Lovecraft ist der einzige Autor aus dem Hauptteil meiner Dissertation, zu dem ich noch keine englischsprachige Veröffentlichung nachgereicht habe. In absehbarer Zeit wird sich daran auch wohl nichts ändern; vielleicht in ein paar Jahren, wenn Huan Vus Traumlande erscheinen, denn dieser Teilbereich der Lovecraft-Forschung weist nach wie vor die größten Leerstellen auf.
Zu Mervyn Peake hatte ich bereits 2010 einen Artikel in G. Peter Winningtons Peake Studies, Vol. 12, No. 1 veröffentlicht, der im Wesentlichen Kapitel IV von "Verlorene Arkadien" entspricht. Und auch die verbleibenden zwei Autoren meiner unwahrscheinlichen Zusammenstellung kann ich nun von meiner Liste streichen:
Zum einen kann man sich bei Komparatistik Online mein Paper zur Jahrestagung der GFF von 2013 herunterladen: "Cyberspace as final frontier: Artificial and virtual space in William Gibson’s Neuromancer". Analog zu Kapitel V von "Verlorene Arkadien" geht es mir hier unter anderem um die Feststellung, dass der Cyberspace, ungeachtet des in einschlägigen Aufsätzen oft gezogenen Vergleichs, wenig bis nichts mit Baudrillards Hyperrealität zu tun hat; tatsächlich halte ich sogar Googles Ingress für einen weitaus besseren Vergleich. Zum Jahreswechsel wird es wahrscheinlich noch eine Printversion geben.
Zum anderen sind im LIT-Verlag nach langen, mühevollen Jahren die Proceedings der von mir mitverantworteten Heidelberger Tagung der International Gothic Association erschienen. Er enthält unter anderem meinen Aufsatz "Distressing Damsels" über die Frauenfiguren James Branch Cabells, der auch Elemente aus Kapitel III von "Verlorene Arkadien" aufgreift. Angesichts der geringen Rezeption Cabells in der aktuellen Forschung freut mich diese Veröffentlichung ganz besonders – auch, weil ich dem Artikel mit Erlaubnis der Erben von Frank C. Papé einige Stiche dieses großartigen Künstlers anfügen durfte.
Abschließend, da ich gerade nirgendwo online das Inhaltsverzeichnis des Bandes finde, here you are:
Ellen Redling and Christian Schneider (editors) – Introduction: Gothic Limits / Gothic Ltd
Jeaneen Kish – Pre-Gothic Goths: Shakespeare’s Usage of the Goths as Gothic Monsters in Titus Andronicus
Susanne Gruss – Jacobean Gothic and the Law: Revengers and Ineffectual Rulers on the Early Modern Stage
Kerstin Frank – “[Y]ou must see the Sun through the Cloud, and relish Light by the help of Darkness”: Morality, Rationality, and the Proto-Gothic Atmosphere in Daniel Defoe’s An Essay on the History and Reality of Apparitions
Oliver Plaschka – Distressing Damsels: Gothic Chivalry in James Branch Cabell’s Biography
Franziska Schneider – From Bullerby to Blackeberg: Gothic Themes and National Settings in the Writings of John Ajvide Lindqvist
Andreas Schardt – Terror in the Garden: The Gothic as (Anti-)Pastoral in H.P. Lovecraft’s “The Colour out of Space”
Susan J. Tyburski – Seduced by the Wild: Audrey Schulman’s EcoGothic Romance
Erik Redling – Monstrous Woodcuts: Experiments with Scary Word-Image Relations in Lynd Ward’s Gothic Work
Christian Schneider – “‘It’ forever”: Black Hole as a Gothic Graphic Novel
Ellen Redling – Gothic Nightmares Then and Now: The Oneiric Descents in Edgar Allan Poe’s Short Stories and Falling Dreams ad extremum in Christopher Nolan’s Film Inception
Simone Broders – “No Sex Please, We’re Vegetarians”: Marketing the Vampire and Sexual Curiosity in Twilight, True Blood and the Sookie Stackhouse Novels
Anna Powell – Enchanted Objects: Steampunk Fetishes and Machinic Desire
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Tuesday, May 12. 2015
Erlanger Poetik-Kolleg
Anfang Juli steht bei mir ein besonderer Termin im Kalender:
Ich bin Gast beim Erlanger Poetik-Kolleg.
Das Kolleg, das von den Lehrstühlen des Departments für Germanistik und Komparatistik der Friedrich-Alexander-Universität in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum für Literatur und Kultur der Gegenwart veranstaltet wird, existiert seit nunmehr acht Jahren -- und wenn ich mir die Liste der bisherigen Gäste anschaue, wird mir vor lauter Nobelpreisträgern ganz schwindlig. Auch wird es das erste Mal sein, dass ich meine eigenen Texte in einem akademischen Rahmen diskutiere; zwei Welten, die ich bislang strikt getrennt zu halten versuchte.
Vor allem aber ist es meines Erachtens ein wichtiges Zeichen, dass die Phantastik in Deutschland an den Universitäten nicht nur als Außenseiterthema angekommen ist, sondern auch zwischen Lyrik und Gegenwartsliteratur ihren Platz hat. Das ist eine der wichtigsten Botschaften, die ich aus meinem eigenen Studium mitgenommen habe und selbst seitdem weiterzugeben versuche: Es gibt in der Literatur keine Gattungen oder Genres erster und zweiter Klasse. Es gibt höchstens genreübergreifend gute wie schlechte Bücher (meist im Verhältnis 1:9), und um die zu finden, braucht es keine Literaturwissenschaft (es sei denn, man erwartet auch von Soziologen, dass sie Menschen von best nach worst sortieren).
Die Teilnehmer werden sich in vorbereitenden Sitzungen u.a. mit den "Magiern von Montparnasse" und dem "Licht hinter den Wolken" sowie ausgesuchten Theorietexten befassen. In dem zweitägigen Blockseminar im Juli werde ich dann an die vorbereiteten Themen anknüpfen und den Studierenden Rede und Antwort stehen. Die Veranstaltung endet mit einer öffentlichen Lesung -- Details hierzu folgen.
Ich bin Gast beim Erlanger Poetik-Kolleg.
Das Kolleg, das von den Lehrstühlen des Departments für Germanistik und Komparatistik der Friedrich-Alexander-Universität in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum für Literatur und Kultur der Gegenwart veranstaltet wird, existiert seit nunmehr acht Jahren -- und wenn ich mir die Liste der bisherigen Gäste anschaue, wird mir vor lauter Nobelpreisträgern ganz schwindlig. Auch wird es das erste Mal sein, dass ich meine eigenen Texte in einem akademischen Rahmen diskutiere; zwei Welten, die ich bislang strikt getrennt zu halten versuchte.
Vor allem aber ist es meines Erachtens ein wichtiges Zeichen, dass die Phantastik in Deutschland an den Universitäten nicht nur als Außenseiterthema angekommen ist, sondern auch zwischen Lyrik und Gegenwartsliteratur ihren Platz hat. Das ist eine der wichtigsten Botschaften, die ich aus meinem eigenen Studium mitgenommen habe und selbst seitdem weiterzugeben versuche: Es gibt in der Literatur keine Gattungen oder Genres erster und zweiter Klasse. Es gibt höchstens genreübergreifend gute wie schlechte Bücher (meist im Verhältnis 1:9), und um die zu finden, braucht es keine Literaturwissenschaft (es sei denn, man erwartet auch von Soziologen, dass sie Menschen von best nach worst sortieren).
Die Teilnehmer werden sich in vorbereitenden Sitzungen u.a. mit den "Magiern von Montparnasse" und dem "Licht hinter den Wolken" sowie ausgesuchten Theorietexten befassen. In dem zweitägigen Blockseminar im Juli werde ich dann an die vorbereiteten Themen anknüpfen und den Studierenden Rede und Antwort stehen. Die Veranstaltung endet mit einer öffentlichen Lesung -- Details hierzu folgen.
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Monday, September 30. 2013
Academia (2)
Am Wochenende ging die Jahrestagung der Gesellschaft für Fantastikforschung in Wetzlar zu Ende. Ich habe mich mal wieder an einem akademischen Vortrag versucht, diesmal zu William Gibsons Cyberspace-Welten. Das Feedback war sehr wohlwollend; zumindest bemerkten mehrere Zuhörer, dass man ihnen Baudrillards Phasenmodell selten so unterhaltsam nähergebracht habe.
Was die Beschäftigung mit Büchern angeht, habe ich immer zwischen allen Stühlen gesessen: als Autor, Literaturwissenschaftler, Gutachter, Übersetzer, Fan und Sammler. Mein Doktorvater fragte mich einmal, ob ich meine, dass meine Tätigkeit als Autor meine wissenschaftliche Perspektive kontaminiere. Mindestens einer meiner Lektoren fragte mich glaube ich mal dasselbe, bloß andersherum. Ich habe darin nie einen Konflikt gesehen. Zwar sind manche meiner Geschichten vielleicht etwas zu verkopft, und manche meiner wissenschaftlichen Texte vielleicht etwas zu blumig. Aber letztlich unterscheidet sich meine Herangehensweise an verschiedene Arten von Text trotz ihrer unterschiedlichen Ansprüche vielleicht weniger, als man denkt.
Als angenehm bei der diesjährigen Tagung empfand ich auch und gerade deswegen, dass die gefühlte Kluft zwischen Wissenschaft und Literaturbetrieb immer kleiner zu werden scheint. Sicher lag das auch an den Organisatoren, der Sektion 10 der Justus-Liebig-Universität Gießen. Dort hat sich eine junge Generation von Geisteswissenschaftlern etabliert, die — meines Wissens nach als Erste — auch die deutschsprachige Phantastik des 21. Jahrhunderts rezipieren: nicht zuletzt Pascal Klenke, der aktuell über Christoph Marzi promoviert, oder Bastian Appel, der seine Magisterarbeit zu weiten Teilen mit einer Untersuchung der Doppelgängermotivik in Fairwater bestritt. Es gibt kein schöneres Kompliment für Autoren wie mich.
Dank für schöne und vergnügliche Stunden und Diskussionen auch an Diana Menschig, Erik Hauser, Alessandra Reß, Fabian Dombrowski, Anja Stürzer, Frank Weinreich, Simon Spiegel und alle anderen, die geholfen haben, diese Tagung zu einem lohnenswerten Besuch zu machen. Ich hoffe, dass ich viele von euch (und alle, die ich verpasst habe) in zwei Wochen in Dreieich wiedersehe.
Was die Beschäftigung mit Büchern angeht, habe ich immer zwischen allen Stühlen gesessen: als Autor, Literaturwissenschaftler, Gutachter, Übersetzer, Fan und Sammler. Mein Doktorvater fragte mich einmal, ob ich meine, dass meine Tätigkeit als Autor meine wissenschaftliche Perspektive kontaminiere. Mindestens einer meiner Lektoren fragte mich glaube ich mal dasselbe, bloß andersherum. Ich habe darin nie einen Konflikt gesehen. Zwar sind manche meiner Geschichten vielleicht etwas zu verkopft, und manche meiner wissenschaftlichen Texte vielleicht etwas zu blumig. Aber letztlich unterscheidet sich meine Herangehensweise an verschiedene Arten von Text trotz ihrer unterschiedlichen Ansprüche vielleicht weniger, als man denkt.
Als angenehm bei der diesjährigen Tagung empfand ich auch und gerade deswegen, dass die gefühlte Kluft zwischen Wissenschaft und Literaturbetrieb immer kleiner zu werden scheint. Sicher lag das auch an den Organisatoren, der Sektion 10 der Justus-Liebig-Universität Gießen. Dort hat sich eine junge Generation von Geisteswissenschaftlern etabliert, die — meines Wissens nach als Erste — auch die deutschsprachige Phantastik des 21. Jahrhunderts rezipieren: nicht zuletzt Pascal Klenke, der aktuell über Christoph Marzi promoviert, oder Bastian Appel, der seine Magisterarbeit zu weiten Teilen mit einer Untersuchung der Doppelgängermotivik in Fairwater bestritt. Es gibt kein schöneres Kompliment für Autoren wie mich.
Dank für schöne und vergnügliche Stunden und Diskussionen auch an Diana Menschig, Erik Hauser, Alessandra Reß, Fabian Dombrowski, Anja Stürzer, Frank Weinreich, Simon Spiegel und alle anderen, die geholfen haben, diese Tagung zu einem lohnenswerten Besuch zu machen. Ich hoffe, dass ich viele von euch (und alle, die ich verpasst habe) in zwei Wochen in Dreieich wiedersehe.
Monday, July 15. 2013
Academia
Ich muss wieder mehr bloggen. Weil ich aber leider gar nicht die Zeit dazu habe, müssen die Einträge wohl kürzer werden. Dafür mehr!
Den Anfang macht deshalb der Hinweis auf die Konferenz "Writing Worlds" der Gesellschaft für Fantastikforschung, die dieses Jahr mit den Wetzlarer Tagen der Phantastik zusammenfällt. Ausgerichtet wird das Ganze von der Sektion 10 des Gießener Graduiertenzentrums Kulturwissenschaften. Ich nutze dieses schöne Zusammentreffen, um mich mal wieder akademisch zu betätigen: Am Freitag, dem 27.9., halte ich dort einen Vortrag zu William Gibsons Cyberspacebegriff, und was dreißig Jahre danach daraus geworden ist.
Wer meine Dissertation kennt, kann sich ungefähr denken, in welche Richtung das gehen wird; allerdings haben sich seitdem auch ein paar interessante Neuerungen in den Meatspace eingeschlichen, nicht zuletzt die Verschwörung des Niantic Projects.
Das vollständige Programm gibt es hier (kleinere Änderungen vorbehalten). Der Flyer darf sehr gerne verbreitet werden.
Den Anfang macht deshalb der Hinweis auf die Konferenz "Writing Worlds" der Gesellschaft für Fantastikforschung, die dieses Jahr mit den Wetzlarer Tagen der Phantastik zusammenfällt. Ausgerichtet wird das Ganze von der Sektion 10 des Gießener Graduiertenzentrums Kulturwissenschaften. Ich nutze dieses schöne Zusammentreffen, um mich mal wieder akademisch zu betätigen: Am Freitag, dem 27.9., halte ich dort einen Vortrag zu William Gibsons Cyberspacebegriff, und was dreißig Jahre danach daraus geworden ist.
Wer meine Dissertation kennt, kann sich ungefähr denken, in welche Richtung das gehen wird; allerdings haben sich seitdem auch ein paar interessante Neuerungen in den Meatspace eingeschlichen, nicht zuletzt die Verschwörung des Niantic Projects.
Das vollständige Programm gibt es hier (kleinere Änderungen vorbehalten). Der Flyer darf sehr gerne verbreitet werden.
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